
Ich durfte die Klientin, die mich in einer Stunde mit diesen Worten begrüßt hat, nach einem traumatischen Erlebnis über längere Zeit begleiten. Sie hat sich viel auseinandergesetzt. Ist in die schmerzhaften Winkel eingetaucht. Sie spürte, wie sie immer stabiler wurde. Wie ihr Stand sicherer wurde. Sie die Füße bei jedem Schritt wieder fester auf den Boden stellen konnte.
Und dann gab es ein von außen vermeintlich kleines Ereignis, das sie wieder ins Wanken brachte.
Im Urlaub erinnerte mich der Atlantik an diese Klientin. Denn ich stand im Wasser. Die großen Wellen waren deutlich sichtbar. Ihnen konnte ich ausweichen, indem ich ein paar Schritte zurück ans sichere Ufer machte. Aber es waren jene Wellen, die eigentlich klein und harmlos wirkten, die mich beinahe umgerissen hätten. Sie mochten kraftlos gewirkt haben. Doch oft entwickelten sie ihre Stärke erst, als sie meine Füße bereits umspült hatten und sich wieder ins Meer zurückzogen. Erst da spürte ich, wie sie mich beinahe noch einmal umgerissen hätten.
Wieder kam mir hier diese Klientin in den Sinn. Denn auf meine Frage, wie sie es geschafft hat, sich nicht wieder im Schmerz zu verlieren, meinte sie: „Als ich den Schmerz gespürt habe. Als ich alle Bilder wieder gesehen habe, habe ich durchgeatmet und mich auf die Situation eingelassen. Ich habe auf mich selbst vertraut und mich noch einmal der Welle gestellt. Denn ich wusste, ich kann sie nicht aufhalten. Ich kann nicht dagegen kämpfen. Aber ich konnte mit ihr surfen. So, dass sie mich nicht nach unten gezogen, sondern eigentlich nach vorne gespült hat.“
Veronika Burtscher-Kiene